Vor CRM (Customer Relationship Management) und der damit verbundenen Analyse von Zahlen schrecken viele zurück. Trotzdem liegt aber gerade im auf Daten basierten direkten Dialog mit Kunden viel Potenzial für Kreativität. Ob dieses richtig ausgeschöpft wurde, zeigen wiederum die klar messbaren Resultate.
Der Dozent schritt auf und ab, die Klassenliste mit den Unterschriften in der Hand. „Ich unterrichte CRM. Hier geht es um Zahlen und Fakten. Auf dieser Liste sind 26 Namen. Ich sehe 25 Unterschriften. Allerdings zähle ich in diesem Raum nur 12 Köpfe. Und wer ist eigentlich die bemitleidenswerte Frau B., dass die Schummler unter ihnen nicht auch gleich für sie mitunterschrieben haben?“.
12 von 26. Nun, Kommunikationsstudenten, welche von der grossen nationalen TV Kampagne träumen, ihre eigenen Produkte und Ideen auf Plakaten anzutreffen hoffen, die interessieren sich selten für CRM. Klein und unattraktiv wirken die Mailings und E-Letter. Kompliziert und zu technisch scheinen die Selektionen und Analysen. „Das ist ja Mathematik. Das ist nicht kreativ“, hab ich mir mal sagen lassen. Von wegen. CRM oder auch sogenanntes Data Base Marketing ist sehr kreativ. Vielleicht geht’s tatsächlich weniger um die lustigen Bilder, die bunten Dreiecke oder die lässigen Schriftzüge, aber umso mehr geht es um den Kunden. Und wie es so schön heisst: Der Kunde ist König.
Anhand der Analyse der Daten, können wir – und das gilt sowohl für die Corporate als auch die NGO Welt – herausfinden, wem das Portemonnaie jeweils im persönlichen Kontakt am lockersten sitzt, ob es jedoch welche gibt, die am liebsten nur einen simplen Brief statt eines aufwändigen Mailings lesen und nochmal andere, die am liebsten einen Telefonanruf bekommen.
CRM macht uns nicht besser, aber effizienter. Ich wurde mal gefragt, wie viel ich mehr verkaufen würde, wenn ich eine bessere CRM Infrastruktur hätte. Die Antwort darauf enttäuschte mein Gegenüber: „ich werde nur marginal mehr verkaufen als jetzt, da wir nach dem Giesskannenprinzip vorgehen. Aber ich werde viel günstiger verkaufen und noch dazu gleichzeitig die Kundenzufriedenheit und –loyalität erhöhen.“
Die Kreativität liegt also eigentlich darin, anhand der Information aus den Daten, Massnahmen zu definieren, die den Kunden mit für ihn relevanten Informationen, auf dem von ihm bevorzugten Kanal zum bestmöglichen Zeitpunkt, auf die für ihn angenehmste und verständlichste Weise ausstattet. Nur so erringen wir nachhaltig die Aufmerksamkeit unserer Kunden und schaffen das nötige Vertrauen in unser Produkt oder unsere Leistung.
Klingt einfach, ist es aber nicht. CRM bedeutet „testen, testen, testen“. Das heisst, wir müssen uns im CRM bewusst in eine „Versuch und Irrtum“-Situation begeben. Die Daten bilden dabei die Basis unserer Erkenntnis, die Interpretation eben dieser gibt die Richtung vor und wiederum die Daten, d.h. der direkt gemessene Response, hilft uns, im Nachgang unsere Irrtümer zu erkennen und uns zu verbessern.
Warum aber finden immer noch so viele Menschen in der Kommunikation CRM so unattraktiv? Nun, es stimmt, man muss rechnen. Z.B. den Response in der Kontrollgruppe mit jener in der Mailinggruppe vergleichen, studieren, welche zusätzliche Verbesserung der Test in der Kreation, im Text oder die Optimierung der Zielgruppe gebracht haben. Trotzdem: Wo bekommt man in der Kommunikation so genau aufgezeigt, dass die eigene Arbeit sich lohnt? Dass die gewählte Richtung stimmt, dass nicht nur das Geld, das man für die Firma eingesetzt hat, sondern hoffentlich sogar noch mehr wieder zurück kommt?
Gerade für NGOs, die sich für ihre Marketingmassnahmen immer wieder vor der breiten Öffentlichkeit rechtfertigen müssen, ist CRM der Königsweg. Hier kann klar aufgezeigt werden, was die Massnahmen tatsächlich bringen, wie dank CRM die vorhandenen Mittel effizienter genutzt werden können und wie pro Marketing-Franken ein mehrfaches an Spendenfranken eingenommen werden kann.
Nun, was braucht es dazu?
- Daten. Und zwar Daten in guter Qualität. Damit ist nicht nur die Gross-und Kleinschreibung gemeint, sondern auch das regelmässige und immer exakt gleiche Erfassen sämtlicher Kundeninteraktionen. Wann hat der Kunde worauf reagiert und warum? Über welchen Kanal hat er uns kontaktiert, haben wir ihn kontaktiert und was war das Thema? Wie viel hat er gespendet in welcher Frequenz und wie hat er bezahlt? Spendet er nur themenbezogen oder generell an die Organisation? Was sind seine besonderen Interessen?
- Tools. Ja, mit Excel geht das auch. Aber nicht besonders gut. Im CRM Bereich gibt es alles – von der Access basierten Seifenkiste bis hin zur massgeschneiderten Campaign Management und CRM Lösung mit einem Preisschild in Millionenhöhe. Was zu welcher Unternehmung passt, ist nicht nur von der Anzahl der Daten und Kampagnen abhängig, sondern natürlich auch von der Komplexität der Zielgruppen und Botschaften sowie der vorhandenen Ressourcen und Budgetsituation. Eine Investition in ein CRM Tool ist eine mittel- bis langfristige Angelegenheit und muss gut evaluiert werden.
- Kapazität. Wer aufgrund personeller oder auch finanzieller Ressourcen nur ein Mailing pro Jahr rausschicken kann, der kann das mit den optimierten Zielgruppen auch gleich sein lassen. Wer optimieren will, muss erst mal optimieren können.
- Zeit. Resultate sind zwar in der Regel kurz nach dem Versand eines Mailings ersichtlich, wie sich aber die Qualität der Kommunikation oder insbesondere das Verhalten des Kunden langfristig durch die gezieltere und relevantere Ansprache verbessert, lässt sich nicht von heute auf morgen eruieren.
- Know-How. Wer wirklich tief in die Daten eintauchen und diese auf hohem Niveau analysieren will, kann das in der Regel nicht selbst. Dazu gibt es Spezialisten, die befähigt sind, statistische Modelle zu bauen und sogenanntes Data Mining zu betreiben. Ein paar einfache Selektionen mögen auch ohne solche sogenannten Business oder Customer Analysten möglich sein, aber sobald wir wirklich von Affinitäts-, Wahrscheinlichkeits- oder anderen Modellen sprechen, braucht es die entsprechende Fachkenntnis, um aus den Daten das Maximum rausholen zu können.
Und nicht zuletzt:
- Kreativität: Daten zu interpretieren und aus Ihnen Massnahmen zu definieren, sich hinter den Zahlen die Kunden, ihre Lebenssituationen, ihre Wünsche vorzustellen und das auf ganz unterschiedliche Gruppen, Kommunikationskanäle, Texte, Bilder zu münzen – das ist Kreativität.
Wer also immer noch von den grossen Plakat- und TV-Kampagnen träumt, wer immer noch den CRM Unterricht schwänzt, den bestraft zwar nicht das Leben, aber doch immerhin der Kunde. Er hört und sieht nämlich einfach nicht hin.
So ist es auch in der Kommunikation rund um Spenden oder bei der Aufforderung zu irgendeiner anderen Handlung im Grunde ganz simpel. Es gilt auch hier der aus der Sozialpsychologie geprägte Begriff der Verantwortungsdiffusion: „Redest Du mit mir? Mit mir persönlich? Also wenn Du nicht direkt mit mir sprichst, sondern einfach so in die Gruppe hinein, dann warte ich einfach mal, bis ein anderer was tut. Ja, dann warte ich mal, bis ein anderer reagiert. Könnte ja ein anderer gemeint sein. Bin ja vielleicht nicht ich gemeint. Nicht ich, persönlich.“
Unser Dozent hat damals keine Antwort auf seine Frage, wer denn die bemitleidenswerte Frau B. sei, bekommen. Er hat die Frage, gleich einem Plakat in den Raum gestellt. Betroffen hat sich keiner gefühlt und somit hat auch keiner reagiert.
Delia Halder wird zusammen mit Marcel Bieler am Soirée Datenanalyse und Kampagnenplanung, welcher am 05. März 2015 stattfindet, uns weitere Einblicke in die Welt des CRM geben. Sie wühlt gerne in Datenbanken herum, auf der Suche nach dem goldenen Kampagnenansatz. Dabei hat sie die letzten 15 Jahre in der Finanz- und in der Telekommunikationsbranche schon einige Kampagnen verworfen, optimiert, abgesetzt oder neu erfunden. Sie testet gerne: Zielgruppen, Botschaften, Kreation, Angebote aber auch die diversen Schokoladenkuchen der Stadt Zürich. Die gängigen Instrumente der Marketingklaviatur - von Direkt Marketing, klassischer Werbung, PR, Interner Kommunikation, Event, Sponsoring bis hin zu Online Marketing hat sie schon alle gespielt, doch am wohlsten ist ihr, wenn das Orchester sich klar auf das Publikum ausrichtet und der Applaus exakt gemessen wird. Kontakt: d.halder@mail.com