Mehr als zweihundert Menschen aus dem E-Campaigning Bereich trafen sich letzte Woche in Berlin zur re:campaign. Viele aus NGOs, nicht wenige davon Dienstleister wie wir.
Da ist es nicht einfach, eine kurz und bündige Zusammenfassung zu liefern.
Das Fazit zuerst: spannendes Umfeld um von der Sachkenntnis der verschiedenen anwesenden SpezialistInnen zu lernen, Kontakte zu Kollegen, Partner und vielleicht sogar zukünftigen MitarbeiterInnen zu knüpfen. Neben grossem Log meine Empfehlung an die OrganisatorInnen der re:campaign: Mischt nächstes Mal die beiden Konferenztage tüchtig durch, so dass nicht mehr ein Tag mit frontalen Sessions von einem Open Space-Tag gefolgt wird.
Fotos von der re:campaign2012 auf Flickr vom ersten Tag und vom zweiten Tag. Mitunter ging es an populären Workshops etwas drunter und drüber wie dieses Bild vom Storytelling-Workshop zeigt:
Präsentationen von der Re:campaign2012 auf Scribd und die Videos der Keynotes auf Vimeo
Alle Tweets zur re:campaign sind unter #rc12 zu finden.
Auch der Spass kam nicht zu kurz, die Aufwärmrunde vor dem samstäglichen Barcamp der re:campaign spricht Bände:
Zu den Inhalten:
Keynote von Duncan Green: How citizens can overcome poverty using ICT for development
Angenehm kritisch startete die Konferenz mit der ersten Keynote von Duncan Green, Head of Research bei Oxfam UK, der die Bedeutung von ICT (Informations- und Kommunikationstechnologien) in der Entwicklungsarbeit diskutierte. Seine Perspektive stellte er als die eines Außenstehenden vor, als die eines „Neandertalers moderner Kommunikationstechnologien“. Jedoch ist Green keineswegs ahnungslos, aber jenseits des Hypes.
Entwicklung versteht er hauptsächlich als „Empowerment“ von aktiven Bürgern. Das geht nicht ohne einen aktiven Staat, der in seine Bürger investiert. ICT kann diesen Prozess auf verschiedenen Ebenen unterstützen: durch die Ermächtigung jedes einzelnen durch Identitätsbildung, Wissensvermittlung und Aufklärung („power within“), durch die Möglichkeiten der Vernetzung und Organisation miteinander (power with) und indem durch Crowdsourcing und Berichterstattung aus anderen Perspektiven Diskurse verändert/ verschoben werden und so Macht über jemanden/ etwas erlangt werden kann. Dies zeigt z.B. das Beispiel Al Jezeera gegen Kony 2012 in Uganda. Gerade in letzterem sieht Green das größte Potenzial von ICT. Doch ist er keineswegs unkritisch: ICT sind nicht per se ein Feind des Status quo, sondern Tools, die denen dienen, die darüber kommunizieren - und sie können auch verwendet werden, um zu manipulieren oder Feinde ausfindig zu machen.
Für die Entwicklungszusammenarbeit insistiert Green, gute Analysen an den Beginn jedes ernsten Engagements zu stellen und genau zu betrachten, welche Bedeutung ICT im Leben der Menschen hat. Aktuell sieht er das größte Potenzial im Mobilfunk, Entwicklung voranzutreiben. Das Internet ist den Mittelschichten vorbehalten, das Mobiltelefon aber findet sich als Multifunktionstool für Austausch, Information und als Kontomanager in fast jeder Tasche der 7 Mrd. Menschen weltweit. In seinem Blog „From poverty to power“ lädt Duncan Green zur Diskussion ein. (Text zu dieser Keynote von http://reset.to)
Keynote von Elizabetz McGuane: Content for Change
Die Bedeutung von gutem Content hevorgehoben hat ihrer Keynote Elizabeth McGuane von Lost Boys International (LBI). Ihre Präsentation hat unter anderem Bezug genommen auf den Neubau einer einzigen Regierungswebseite in Grossbritannien. Die dabei verwendeten 7 Designprinzipien sind auch für LeserInnen hierzulande sehr sehr hilfreich.
Keynote Storytelling von Julius van der Laar und Maike Gosch
Julius van de Laar beginnt die Präsentation mit einer zentralen Frage im Storytelling: Wie können wir eine Person emotional erreichen?
Daten und Fakten sind recht langweilig – trotzdem besteht ein Interesse dafür. Die Frage ist also, wie man diese Informationen interessant transportieren kann. Im nächsten Schritt sollen aus den passiven Zuhörern aktive Unterstützer werden.
Maike Gosch, selbst Regisseurin, betont, dass Kampagnen von NPO keine Spielfilme sind, daher reichen für NPO die Basics: Auch der kleinste Clip ist unterteilt in Beginn, Konflikt und Auflösung. Zu Beginn wird in die Situation eingeführt, Personen werden vorgestellt, der Konflikt wird genannt. Daraufhin folgt die Action, der Held der Geschichte und dessen Antagonist treffen aufeinander. Dieser Konflikt sollte im Vordergrund stehen, denn Harmonie wird schnell langweilig. Bei einer NPO kann der Antagonist die Armut sein, oder auch der Ölkonzern. Zum Ende einer Geschichte folgt die Auflösung, die fast schon einer Belohnung für den Empfänger wirkt, der doch die ganze Geschichte miterlebt und mitgekämpft hat.
Laut Joseph Campbell (Autor des Buchs 'The Hero with a Thousand Faces', Geschichtenerzähler und Anthropologe) haben alle Heldengeschichten die selbe Struktur – egal ob es sich um ein Hollywooddrehbuch oder eine Ahnengeschichte handelt. Demnach beginnt jede Heldenreise mit einem Aufbruch, dann folgt die Initiation und anschließend die erfolgreiche Heimkehr.
So ist es auch in dem von Julius van de Laar und Maike Gosch verwendeten Beispiel, Herr der Ringe: Der Held wird aus seinem gewohnten Umfeld gerissen, da ein Ruf zum Abenteuer erfolgt. Diese Aufforderung lehnt er zunächst ab, gemeinsam mit seinen Kameraden traut er sich dann doch. Auf seiner Mission muss er viele Prüfungen bestehen, gemeinsam mit seinen Verbündeten schafft er das auch. Es folgt eine Belohnung (bei Herr der Ringe ist das natürlich der Ring) und im Anschluss die Rückkehr nach Hause.
Julius van de Laar spannt den Bogen von Hollywood zu Campaigning: Wie kann der Zuhörer nun zum Held werden?
Der Zuhörer sollte von Anfang an mitgenommen werden, die Story ist also ein Prozess, ein gemeinsamer Weg. Aus dem Zuhörer wird aber erst dann ein Held, wenn er auch tatsächlich mobilisiert werden kann.
Elemente der Mobilisierung:
1. Interesse: Das Interesse führt dazu, dass der Zuhörer aufmerksam wird und sich auf die Geschichte einlässt.
2. Betroffenheit: Die Betroffenheit sorgt dafür, dass der Zuhörer dranbleibt, die Story mitverfolgt und sich in die Situation hineinversetzt.
3. Crisitunity: Ist ein Mischwort aus crisis und opportunity – keine Krise soll ungenutzt bleiben. Aus jeder Krise entsteht damnach auch eine Möglichekeit, Aufmerksamkeit für die eigene Sache zu erzeugen. Am so gennaten Tipping Point wird klar: Wir befinden uns in einer Krise, noch können wir aktiv werden. Der Zuhörer hat die Wahl zwischen einer Weiterführung des Status Quo oder jetzt eine Veränderung beizuführen.
4. Theory of Change: Dem Zuhörer muss die Kausalkette klar sein: Wenn du jetzt X machst, dann passiert Y, und wir können das Ziel erreichen.
5. Call to Action: Der Call to Action kann auch schon in der Krise stattfinden, auch wenn häufig am Ende der Story ein Aufruf steht.
Im Anschluss an die Präsentation kamen einige spannende Fragen auf: Auf welchem Kanal erzähle ich meine Geschichte? Was ist, wenn ich eine Haltung verändern will – ist meine Zielgruppe dann mein Antagonist?
(Text zu dieser Keynote von Anica Samleit)
Wir von Kampaweb freuen uns sehr, dass wir mit Julius van der Laar eine Partnerschaft eingehen konnten. Diese macht es uns möglich, die Erfahrung von Julius van der Laar auch in unser Beratungsangebot einfliessen zu lassen.
Empowering Community Voices
Bewegende Videos zeigte Jessica Mayberry, Founding Director von Video Volunteers, in ihrem Vortrag "Empowering community voices: Enabling the disadvantaged to lead and create campaigns". Ihre Erfahrung aus der Arbeit im Nachrichtenbereich von CNN und Fox News nutzt sie jetzt, um ein Netz von community correspondents in Indien zu etablieren.
Ausgangspunkt war die Feststellung, dass über zahlreiche, sehr ernste Probleme der Bevölkerung vor Ort in den Mainstream-Medien kaum berichtet wird. Die Leute haben aber keinen Zugang zu diesen Medien, um von ihren Notlagen zu berichten. So kam die Idee auf, dass die lokalen Bewohner einer Region ihre Nachrichten eben selbst machen. Dazu bekommen Bürger, die über Aktivisten-Netzwerke rekrutiert wurden, eine Videokamera und eine ausführliche Einweisung. Sie filmen dann Menschen aus ihrer Umgebung, die über akute Schwierigkeiten berichten. Diese Videos werden sodann den Mainstream-Medien oder auch den in die Probleme involvierten Firmen vorgeführt - und das zeigt Wirkung: Beispielsweise werden Löhne von unterbezahlten Landarbeiterinnen angehoben oder korrupte Lehrer entlassen.
Jeden Tag ist ein neues Video auf IndiaUnheard zu sehen. Ich empfehle dringend, sich einige davon mal anzuschauen. (Text zu dieser Keynote von http://reset.to)
Dieses Konzept hat auch für unsere Breitengrade interssante Ansatzpunkte: Zwar ist das Motiv "die Medien schweigen unsere Anliegen tot" bei uns nicht gleich gegeben. Die Onlineberichterstattung als Campaigning-Format könnte aber auch bei uns höchst wahrscheinlich sehr effizient eingesetzt werden. Man stelle sich nur vor, welche Möglichkeiten Jugendliche hätten, wenn Sie ihre Anliegen so engagiert und sichtbar platzieren würden, wir das die VJs von India Unheard tun.
Barcamp am Tag 2
Über 20 Themen wurden von den TeilnehmerInnen für Workshops vorgeschlagen und über den Tag verteilt, auch durchgeführt. Auch ich habe ein Thema vorgeschlagen und dann zusammen mit Timo Liebe (Experte in CiviCRM) auch durchgeführt. "Kontaktmanagement für NPOs" hiess unser Workshop und der drehte sich um die vielen Fragen die sich einer Organisation stellen, wenn sie sich für ein und gegen andere Online-CRMs fürs Campaigning entscheiden muss. Die unterschiedlichen Philosophien die verschiedenen Lösungsansätzen zugrunde liegen, kamen dabei klar auf den Tisch. Günther Metzges von campact (mit dem nagelneuen Krautbuster am Start) plädiert für die Integration von "best-in-class" Teillösungen mit Krautbuster währenddem ich eher für die technisch einfacheren, voll integrierten "all in one"-Lösungen wie z.B. Salsa von Salsalabs plädierte damit möglichst viel der Zeit und Energie einer Organisation ins Campaigning fliessen kann.