Auf der Suche nach den Webauftritten der grossen Schweizer Parteien im Internet sind mir zwei speziell aufgefallen: Die Portale der SP und der SVP für den Wahlherbst 2011. Während die meisten Parteien auf „traditionelle“ Websites setzen, gehen die beiden Polparteien einen neuen Weg. Die Probe aufs Exempel.
von Adrian Mahlstein
Der erste Eindruck zählt
Bei meinem ersten Besuch auf der neuen SVP-Wahlplattform fühlte ich mich wie auf einer Baustelle. Nachdem nun die grössten Probleme ausgemerzt sind, meine ersten Impressionen: Auf der Seite gelandet werde ich sofort von Toni Brunner begrüsst und zum Mitmachen aufgefordert. Natürlich klicke ich einfach mal wild drauf los, es bewegt sich einiges. Die Programmierer scheinen aber die verschiedenen Inhaltsebenen nicht wirklich im Griff zu haben. So kommt es zu zig Überschneidungen und damit zu schlechter Benutzerfreundlichkeit. Die Seite überzeugt grafisch wenig, die Hintergrundmusik ist penetrant und störend. Vielleicht ist dies aber auch Kalkül.
Die SP-Wahlplattform ist im Vergleich dazu sehr nüchtern, ja schon fast langweilig. Dafür überzeugt das klare und einfache Design, welches dem dem Besucher ermöglich sich leicht zu orientieren. Neben einer kurzen Begrüssung in Textform werden News und neue Gruppen angepriesen. Das Ziel der Website ist abgesehen vom Titel „mitmachen“ für den Neuling aber nicht wirklich ersichtlich.
Doppelt gemoppelt
Während auf der SVP-Plattform viele Informationen wie Kandidatenprofile, anstehende Veranstaltungen, verfasste Leserbriefe, Umfragen und Mitmachmöglichkeiten auch für nicht registrierte Nutzer sichtbar sind, tappt der Erstbesucher auf der SP-Wahlplattform im Dunkeln. Doch auch bei der SVP wird relativ schnell klar, dass kein Weg an einer Registrierung vorbei führt. Dem neuen Besucher steht die ganze Palette an Funktionalitäten zur Verfügung. Möchte er aber etwas aktiv tun, muss er sich ein Konto eröffnen.
Der erste Schritt dabei zu sein, besteht also in der Registrierung. Dabei werden detaillierte Angaben zur Person abgefragt. Die vermutlichen Konsequenzen: Falsche Profile und eine grosse Absprungrate. Einzig die SP bietet die Möglichkeit sich via Facebook Connect einzuloggen, eine geschätzte Dienstleistung.
Bei beiden Portalen ist zu bemängeln, dass sie nicht in die Websites der Parteien integriert wurden. Nicht nur das Auffinden der Plattformen wird dadurch erschwert, auch die Verlinkung der Inhalte wird unterbunden. Benutzer müssen sich zusätzlich zu einem möglicherweise bestehenden Konto neu registrieren.
Community vs. Aktivismus
Einmal registriert, zielen die SP und SVP darauf ab ihre Anhänger aktiv zu involvieren. Dabei kriegt jeder Benutzer sein eigenes persönliches Profil, kann sich aktiv beteiligen und kriegt ein internes Nachrichtensystem zu seiner Verfügung. Die beiden Parteien verfolgen jedoch unterschiedliche Ansätze bezüglich des Engagements ihrer Leute. Während die SP eher ein Bottom-Up-Ansatz verfolgt, setzt die SVP eher auf eine Top-Down-Strategie:
Als registrierter Nutzer bei der SP kann ich nach anderen Mitglieder suchen, mich befreunden, mich Wahlteams, Themen-, Orts- und Know-How-Gruppen anschliessen oder solche selber gründen. Die Seite hat also einen Community-Charakter. Menschen mit ähnlichen Interessen sollen zusammengeführt werden.
Die SVP-Wahlplattform trägt dem Community Charakter auch Rechnung, indem Kandidaten, Veranstaltungen, Leserbriefe und Jobs aus dem Heimatkanton des Nutzers angezeigt werden oder er in weiteren Kantonen danach suchen kann. Zusätzlich wird der der Sympathisant aber dazu angeleitet selber aktiv zu werden und die zur Verfügung gestellten Kanäle zu nutzen: Er soll Veranstaltungen selber organisieren, Leserbriefe schreiben und Menschen für verschiedene Aktionen mobilisieren. Er wird also direkt zum Handeln animiert.
Kurz gesagt haben beide Wahlplattformen ähnliche Funktionalitäten. Die Wahlplattform alleine ist also noch kein Rezept zum Erfolg.
Kommunikative Misswirtschaft
Die Mobilisierung von Aktivisten steht und fällt mit der Kommunikation. Wie kann ich mich nun engagieren? Wo werde ich gebraucht? Haben wir schon was bewirkt? Was ist überhaupt das Ziel?
Der erste „persönliche“ Kontakt mit mir als Plattformnutzer geschah via automatische, nicht personalisierte Bestätigungsmail. Nachdem ich über diesen Weg nicht mehr Infos kriegte habe ich mich auf der Website umgeschaut. Auf der SP-Plattform gibt eine Anleitung in PDF-Form sowie ein Blogpost dazu Auskunft.
Auf der SVP-Seite gibt mir Toni Brunner immer wieder Inputs was ich denn noch so tun könnte. Aber aufgrund der überladenen und benutzerunfreundlichen Seite finde ich mich einfach nicht richtig zurecht. Und: Wo bleibt die Strategie? Was muss als erstes bewerkstelligt werden?
Des Weiteren folgte von der SP eine E-Mail mit dem Aufruf auf der Seite aktiv zu werden. Der Hinweis, was denn nun das gemeinsame Ziel ist und wie wir dies erreichen können ging aber vergessen. Dafür scheuen sich die Plattformverantwortlichen nicht vor Selbstkritik, was mich nicht in der Sache bestärkt hat.
Von der SVP hatte ich nichts mehr gehört, bis ich mich wieder eingeloggt hatte. Und siehe da: 15 Nachrichten in meiner Inbox. Neues Mitglied. Neuer Job. Neue Spende. Sie sollen mich dazu bewegen SVP-Mitglied zu werden, Unterschriften zu sammeln oder etwas zu spenden. Es ist schwierig, weniger emotional zu kommunizieren, als dies auf dem SVP-Portal geschieht.
Was wir von Barack Obama lernen können
Barack Obama hat bei den Präsidentenwahlen vor 3 Jahren neue Massstäbe im Wahlkampf gesetzt und gezeigt wie gutes Online-Campaigning aussehen sollte. Die Schweizer Wahlplattformen sind ein guter Anfang in die richtige Richtung, lassen aber auch noch in vielen Punkten zu wünschen übrig.
Jede Campaigning-Site sollte die drei Grundpfeiler Mitmachen, Spenden und Weiterverbreiten beinhalten:
Mitmachen ist auf beiden Plattformen in unterschiedlicher Art und Weise möglich.
Beim Spenden hat eindeutig die SVP die Nase vorn, eigentlich unverständlich, es wird doch immer gesagt die SVP schwimme im Geld. Auf der SP-Wahlplattform fehlt die Spendefunktion.
Beim Weiterverbreiten überzeugt keine der Seiten: Während die SVP mit „Gefällt mir“-Buttons und einem kaum auffindbaren Twitter Icon arbeitet, kann bei der SP gerade mal die Startseite einzig via Facebook geteilt werden. Und während auf der SVP-Seite die Möglichkeit besteht per SMS aber nicht per E-Mail zu mobilisieren, ist es auf der SP-Seite genau umgekehrt.
Eine weitere Erkenntnis die sich von den USA auch auf Schweizer Verhältnisse übertragen lässt: Die meisten Aktivitäten im Online-Campaigning werden nicht von registrierten Nutzern geplant und erstellt, sondern von Organisatoren in den Sekretariaten. Die Systeme müssen deshalb für die E-Mail-Kommunikation optimiert sein und den Menschen das mitmachen leicht machen.
Kampaweb - Ihr Online-Campaigning-Partner
Die Kampaweb GmbH hat sich sowohl mit den technischen als auch mit den kommunikativen Komponenten von Barack Obamas Kampagne vertieft auseinandergesetzt und sich dieses Wissen angeeignet:
Wir arbeiten im Frontend mit dem erprobten und für Communities speziell geeigneten CMS Drupal 7 und bieten im Backend ausgeklügelte Online-CRM-Systeme an. Mit solchen Systemen im Hintergrund wird Online-Campaigning deutlich wirkungsvoller und gleichzeitig auch besser steuerbar. Mit der richtigen Strategie können neue Adressen in grossem Umfang gewonnen werden und anschliessend spezifisch weiter gepflegt werden, was Voraussetzung für Mobilisierungs- und Fundraisingerfolge ist. Wir sind dank langjähriger Kampagnenerfahrung sensibilisiert darauf, Menschen von Anfang an einzubinden, mit ihnen auf ein Ziel hinzuarbeiten und dieses auch zu erreichen. Wir freuen uns Ihnen zur Seite zu stehen um Ihre Onlinekampagne zum Erfolg zu bringen.
Adrian Mahlstein hat zwar internationale Beziehungen studiert ist aber schon seit langem im World Wide Web zu Hause. Im Haus Kampaweb ist er an Websiteprojekten genauso beteiligt wie an der Konzeption und Umsetzung von Onlinekampagnen und findet an der Schnittstelle zwischen Kommunikation und Technik ständig neue und noch bessere Lösungen.